TÄGLICHER IMPULS ZUR HEILIGEN WOCHE

Ostersonntag

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Text der Betrachtung zur Osternacht
(Lesungstext: Joh 20,1–18)
Zu den schönsten und bedeutendsten Kunstwerken in unserer Deutschordenskirche, gehört der Passionszyklus in der ersten Seitennische der Nordwand. Er stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Während seiner Restaurierung vor dreieinhalb Jahren wurde ein – so meine ich – sehr schönes Detail im mittleren Bild der untersten Reihe sichtbar. Es zeigt den Auferstandenen, wie er aus dem Grab ersteht. Und wie so oft bei diesen Darstellungen trägt Christus eine Siegesfahne in der linken Hand, während er mit der rechten den Betrachter segnet.
Aber die Siegesfahne trägt auf dem weißen Grund nicht wie üblich ein rotes Kreuz, sondern ein schwarzes. Christus trägt die Fahne des Deutschen Ordens. Es ist zu vermuten, dass der Maler bei dieser Gestaltung einer Anweisung des Komturs der Kommende gefolgt ist. Eine sehr selbstbewusste Darstellung, wie eine Denkmahlpflegerin bei der Vorstellung des Passionszyklus sagte.
Die Aussage ist klar. Christus kämpft an unserer Seite und wir ziehen für ihn in den Kampf; eben das Selbstverständnis eines Ritterordens. Aber die Aussage geht noch weiter. Das Bild sagt auch: „Sein Sieg ist unser Sieg.“ Und damit hat dieses Bild bleibende und allgemeine Bedeutung.
In den Tagen der Karwoche haben wir in besonderer Weise das Leiden unseres Herrn in den Blick genommen. Wir haben ihn bei seinem Einzug in Jerusalem begleitet und erlebt, wie das Volk, das ihm gerade noch zugejubelt hatte, seinen Tod forderte. Wir waren Zeugen mancher liebevollen Geste, die er auf seinem Weg erfahren hat, aber auch des Verrates und der Verleugnung. Wir haben gesehen, wie er in der Einsamkeit der Ölbergstunde betete, und haben sein Leiden und Sterben meditiert. Und das alles haben wir zu Recht auf uns bezogen. Denn es ist, wie im Buch Jesaja gesagt wird: „Er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt.“ (Jes 53,5a.)
Ab heute aber betrachten wir seinen Ostersieg. Und für diesen gilt der zweite Teil des Jesaja-Verses: „Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“(Jes 53,5b.) Auch seinen Sieg sollen wir auf uns beziehen. Christus hat diesen Sieg ja für uns errungen. Er, der ohne Sünde war, für uns, die in Sünde und Schuld gefangen waren. Und wir sollen ihm, dem Retter aus Sünde und Tod, folgen. So wie es früher in der dritten Strophe des Liedes „`Mir nach´, spricht Christus unser Held“ hieß, die leider im neuen Gotteslob gestrichen wurde:

Fällt’s euch zu schwer? Ich geh voran,
ich steh euch an der Seite.
Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn,
bin alles in dem Streite.
Ein böser Knecht, der still kann stehn,
sieht er voran den Feldherrn gehn.

Christus steht uns zur Seite, er kämpft für uns. Er öffnet uns heute das Tor zum Leben. Und wie er sich Maria von Mágdala offenbarte, indem er sie mit ihrem Namen ansprach, so hat er auch uns in der Taufe bei unserem Namen gerufen. Er hat uns gerufen und berufen, damit wir ihn erkennen und durch diese Erfahrung von Freude und Glück erfüllt werden. Dies aber muss Folgen haben in unserem Leben. Dies muss sich zeigen, indem wir wie Maria und die Apostel anderen durch unser Leben Christus verkünden. „Ein böser Knecht der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehen.“
Christus ist erstanden, er hat den Tod besiegt und das Leben neu geschaffen, so lautet die Botschaft des heutigen Tages. Die Botschaft, die unser Leben – ja, die Welt verändern soll. Denn es ist so, wie es uns der Christus mit der Deutschordensfahne zeigt: Sein Sieg ist auch unser Sieg!

P. Jörg Weinbach OT

Osternacht

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Text der Betrachtung zur Osternacht
(Lesungstext: Mt 28, 1–10)
In der Liturgie der Kirche gibt es wohl kaum ein eindrucksvolleres Zeichen als das Licht der Osterkerze, die in die dunkle Kirche getragen wird, um sich dann in die Runde zu verteilen. Schon das Licht dieser einen Kerze vertreibt die Finsternis. Und wenn es sich verteilt, wird das Dunkel erhellt. Wir verstehen sofort, was dies bedeutet, noch bevor das große Osterlob der Kirche, das Exsultet uns das Geheimnis dieser Nacht verkündet.
Das Licht ist stärker als das Dunkel, das Leben ist stärker als der Tod. So wird unser Herz erfüllt vom Frieden dieser Nacht, denn wir erkennen: Dieses Licht ist mehr als nur Beleuchtung. Es macht nicht nur den Raum, sondern unser Leben hell. Und es erinnert uns an das wichtigste Ereignis in unserem Leben: An unsere Taufe, bei der wir Kinder Gottes wurden. Damals übergab uns der Priester eine Kerze mit den Worten: „Empfange das Licht Christi.“ So deutet die Osterkerze auf die Erneuerung des Taufversprechens hin, in der wir auf das Geheimnis dieser Nacht antworten, indem wir dem Bösen widersagen und uns Gott zuwenden, indem wir unseren Glauben bekennen.
In diesem Jahr aber ist alles anders. Wir können die Osternacht nicht gemeinsam in der Kirche feiern. Wir müssen zu Hause bleiben und begehen das Gedächtnis der Auferstehung Christi in der Familie oder allein. Aber das Geheimnis dieser Nacht wird hierdurch nicht gemindert. Denn die Evangelien berichten nicht, wie und wann Christus in dieser Nacht genau auferstanden ist, sondern nur, dass er auferstanden ist, dass er den Tod überwunden hat und dass er sich den Seinen offenbarte, ihnen begegnete. Diese Begegnungen waren das Entscheidende, denn sie weckten den Glauben.
Und sie waren stets anders als die Jünger es erwarteten: Manchen begegnete er in der Einsamkeit ihrer Trauer, anderen hinter Türen, die aus Angst verschlossen waren, oder bei der Arbeit am See, wieder andere begleitete er auf ihrem Weg. Aber so unterschiedlich sie auch waren, eins haben sie alle gemeinsam: Sie waren immer höchstpersönlich, selbst wenn sie sich in der Gemeinschaft mit anderen ereigneten.
Diese Begegnungen geschahen aber nicht nur am Anfang, sondern immer wieder bis heute. Zu jedem will Christus kommen und dies stets auf eigene Weise. Und wenn in diesem Jahr für viele die Türen des Abendmahlssaales verschlossen sind, so dürfen wir dennoch darauf vertrauen: Er, der die Fesseln des Todes überwunden hat, wird auch in dieser Nacht in unser Leben treten, um uns mit seiner Liebe zu beschenken und das Licht des Glaubens in unseren Herzen zu nähren.
„Christus ist erstanden“, so lautet die Botschaft dieser Nacht, die Botschaft, die die Welt verändert hat. So dürfen wir mit Paulus sagen: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15, 54b.55.) Und wir brauchen nicht in Angst leben. Auch nicht in diesen Tagen, in denen wir in den Medien mit Bildern und Nachrichten vom Tod überflutet werden. Christus ist die Auferstehung und das Leben. Er hat den Sieg errungen. Wir aber sind in der Taufe mithineingenommen in seinen Tod, damit wir in ihm das ewige Leben haben. Denn „er hat den Tod vernichtet und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium.“ (2 Tim 1, 10b.)
Das Licht der Osterkerzen, die wir entzündet haben, ist ein Zeichen hierfür. Zeichen unserer Berufung als Kinder des Lichtes zu leben. Zeichen der lebendigen Gegenwart dessen, der das Licht der Welt ist. Er vertreibt die Dunkelheit und schenkt uns Zuversicht, weil er lebt – er, der unsere Sünden getilgt und unseren Tod auf sich genommen hat. Sein Licht aber soll unser Leben erleuchten, so wie es in dieser Nacht geschieht, in der die Osterkerzen in unseren Wohnungen brennen.

P. Jörg Weinbach OT

Karsamstag

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Text der Betrachtung zum Karsamstag (vom Epiphanius)
(Lesungstext: Mk 15,33–47)
Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat
Epiphanius (+535) zugeschrieben
Was ist das? Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht. „Furcht packt die Erde, und sie verstummt“ (Ps 76,9), weil Gott – als Mensch – in Schlaf gesunken ist und Menschen auferweckt hat, die seit unvordenklicher Zeit schlafen. Gott ist – als Mensch – gestorben, und die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat die in der Welt des Todes auferweckt (vgl. Mt 27,52).
Er geht auf der Suche nach dem erstgeschaffenen Menschen wie nach dem verlorenen Schaf (vgl. Luk 15,3ff). Besuchen will er, „die völlig in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“ (Lk 1,79). Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn (vgl. Gen 3,15).
Er fasst Adam bei der Hand, hebt ihn auf und spricht: „Wach auf, Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein!“ (Eph 5,14) Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst. „Steh auf von den Toten!“ Ich bin das Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, steh auf, meine Gestalt, nach meinem Abbild geschaffen! Erhebe dich, lass uns weggehen von hier! Du bist in mir und ich in dir (vgl. Joh 17, 21.23), wir sind eine unteilbare Person. Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott. Für dich nahm ich, der Herr, deine Knechtsgestalt an. Für dich kam ich auf die Erde und unter die Erde, ich, der über den Himmeln thront. Für dich, den Menschen, bin ich ein Mensch geworden „ohne Hilfe, frei unter den Toten“ (Ps 88, 5.6 (LXX)). Du wurdest vom Garten ausgestoßen, ich wurde vom Garten aus den Juden überliefert und in einem Garten begraben.
Sieh den Speichel in meinem Gesicht! Deinetwegen ließ ich es geschehen, um dir den Anhauch des Ursprungs wiederzugeben (Gen 2,7). Sieh die Backenstreiche, die ich empfing, um deine verderbte Gestalt nach meinem Bild wiederherzustellen.
Sieh die Spur der Geißelhiebe auf meinem Rücken, die ich mir gefallen ließ, um deine Sünden zu vernichten, die auf deinem Rücken lasten. Sieh meine Hände, die so glückverheißend mit Nägeln an das Kreuz geheftet sind, deinetwegen: denn du strecktest (einst) zu deinem Unglück deine Hände aus nach dem Holz. Ich entschlief am Kreuz, und die Lanze durchbohrte meine Seite, für dich, denn im Paradies fielst du in Schlaf und brachtest aus deiner Seite Eva hervor. Meine Seite heilte die Wunden deiner Seite. Mein Schlaf wird dich aus dem Schlaf der Totenwelt herausführen.

Karfreitag

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Text der Betrachtung zum Karfreitag
(Lesungstext: Joh 19,17–42)
Vor einigen Jahren saß ich bei einer Vesper im Ostchor einer alten romanischen Kirche. Auf der gegenüberliegenden Westwand hin ein großes Kreuz mit Corpus. Es war in seinen Dimensionen dem Kreuz im Haupteingang unserer Deutschordenskommende ähnlich. Während wir die Vesper beteten, wurde es langsam immer dunkler, so dass man immer weniger Details von dem Kreuz erkannte. Am Ende blieben nur noch seine Konturen sichtbar ähnlich einem Scherenschnitt. Die Details, ja sogar die Gestalt des Gekreuzigten waren am Ende verschwunden.
Ich glaube, in der Kirche ist es heute ähnlich. Auch in unserem Glauben ist das Kreuz häufig auf die Konturen reduziert. In breiten Teilen der Gesellschaft liegt das an einer immer weiter um sich greifenden Unkenntnis des christlichen Glaubens. Aber auch bei den „Frommen“ kann man dieses Phänomen beobachten: Nicht wegen der Dunkelheit des Unwissens, sondern weil das Kreuz häufig vom Licht der Auferstehung überstrahlt wird. Der Effekt aber ist ähnlich: Das Kreuz wird auf seine Konturen reduziert, die Details gehen verloren.
Allzu schnell gehen wir oft über das Geschehen des Karfreitags hinweg, allzu schnell gehen wir in unseren Betrachtungen von der Torheit des Kreuzes zur Herrlichkeit der Auferstehung über. Und nur von dort aus wagen wir ab und an einen scheuen Blick auf das Kreuz, das von Ostern her im Licht der Auferstehung als Siegeszeichen aufstrahlt. Seine blutige Wirklichkeit, die Leiden Christi, seine Schmerzen und Qualen, die er für uns erlitten hat, werden dabei aber ausgeblendet. Denn das Kreuz ist unangenehm, da es unser Kreuz ist, das er trug – unsere Schuld und unsere Sünde.
„Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt“, fordert uns die Liturgie von Karfreitag dreimal auf. Der Ruf wird dabei in der Tonhöhe gesteigert, um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Und die Antwort lautet: „Kommt lasset uns anbeten.“ Danach nähern wir uns dem Kreuz, um es zu verehren. Aber zuvor sollen wir sehen, sollen wir genau hinsehen. Wir sollen auf den Gekreuzigten schauen: Auf seinen geschundenen Körper, der überdeckt war von den Striemen der Geißelung, so wie man es an sogenannten Pestkreuzen sieht. Und wir sollen uns die Schmerzen der Hiebe vorstellen, die die Haut zerfetzten. Wir sollen die Dornenkrone in den Blick nehmen, deren daumenlange Stachel in seine Kopfhaut gedrückt wurden. Wie seine Hände und Füße betrachten und uns den Schmerz vorstellen, als die Nägel durch sie getrieben wurden. Wir sollen uns sein schmerzvolles Leiden vor Augen führen, das Hängen am Kreuz, bei dem der Brustkorb zusammengedrückt wird, wenn die Muskulatur ermattet, so dass das Atmen immer schwerer fällt. Und wir sollen auf sein Antlitz schauen, sein Blut überronnenes Gesicht, das dennoch Liebe ausstrahlt: „Frau, siehe dein Sohn.“, „Johannes, siehe deine Mutter.“ Wir sollen seine Enttäuschung über den Verrat und die Verleugnung nachempfinden, seine Erniedrigung als ihm die Kleider von Leib gerissen wurden und die Einsamkeit der Todesstunde, in der er von dem Umstehenden noch verspottet und verhöhnt wird.
Wir sollen dies alles genau betrachten, dürfen das Kreuz Christi, das Geschehen des Karfreitags nicht in den Schatten geraten lassen, nicht einfach darüber hinweggehen. Denn wer das Kreuz verdrängt, der kann auch die Liebe Christi nicht erkennen, die sich gerade in Kreuz zeigt – ja, hierin zur Vollendung gelangt. Nur die Betrachtung des Übermaßes an Leid und Schmerz, lässt uns das Ausmaß, das Übermaß der Liebe Gottes erkennen, die Christus diesen Tod zur Sühne für unsere Sünden auf sich nehmen ließ. Die unendliche Liebe Christi, die stärker ist als der Tod und in der Auferstehung ihre Bestätigung vom Vater erhält, zeigt sich nirgends mehr als am Kreuz. Dazu dient der Karfreitag, dazu dienen die Kreuzweg, dazu dient jedes Kreuz, das in unseren Kirchen und Wohnungen hängt.
Der Karfreitag ist der Tag des Kreuzes. Heute sollen wir uns Zeit nehmen, es genau zu betrachten und die Schmerzen und das Leid des menschgewordenen Sohnes Gottes auf uns wirken zu lassen. Heute sind wir eingeladen, seine Liebe zu erkennen.
„Seht, das Kreuz an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt. Kommt lasset uns anbeten!“

P. Jörg Weinbach OT


Gründonnerstag

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Text der Betrachtung zum Gründonnerstag
(Lesungstext: Joh 13, 1-15)
„Du willst mir die Füße waschen?“, fragt der heilige Apostel Petrus voll Erstaunen. Was Jesus hier tut, widerspricht seinem Bild vom Messias und bringt seine Gottesvorstellung vollständig durcheinander. Der Messias, der Sohn Gottes will den Sklavendienst der Fußwaschung an ihm verrichten? Umgekehrt könnte – ja, müsste es eigentlich sein! Aber nicht so! Nein, das kann Petrus nicht zulassen. Und auch der Hinweis Jesu, er könne dies jetzt noch nicht verstehen, kann ihn nicht umstimmen: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“
Dass Gott ein Mensch wird, dass er sich niederbeugt und sich so den Menschen schenkt, das ist wirklich unglaublich. So ist die Reaktion Petri verständlich. Sein Respekt und seine Ehrfurcht vor dem Herrn und Meister lassen ihn erschauern beim Gedanken an die Selbsterniedrigung Gottes in Jesus Christus.
Ähnlich geht es auch heute vielen Menschen. An die Existenz eines höheren Wesens mag man ja glauben, aber nicht an einen Gott, der sich selbst erniedrigt und Mensch wird. Dies verstößt nämlich gegen das Grundgesetz dieser Welt, nach dem man schauen muss, so weit wie möglich nach oben zu kommen, dass es einem selbst möglichst gut geht, und bestimmt nicht, dass man anderen die Füße wäscht. Und doch ist genau das der Weg Gottes.
„Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“, mit diesen Worten bricht Jesus den Widerstand Petri und möchte auch unseren Widerstand brechen. Ohne die Liebestat Jesu können wir keine Gemeinschaft mit ihm, keine Gemeinschaft mit Gott haben. Gott ist es, der sich uns in seinem Sohn schenkt. Er ist es, der uns Sünder würdig macht, ihm, dem Heiligen zu begegnen. Zu recht bekennen wir in jeder heiligen Messe: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Nur von hierher wird das Handeln Jesu verständlich. Es ist ein Handeln aus Liebe, so wie man es bei Menschen erlebt, die sich eines pflegebedürftigen Angehörigen annehmen und dabei Dinge tun, die sie für einen Fremden nicht tun würden – etwa ihn zu waschen.
Weil Gott uns liebt, geht er den Weg der Selbsthingabe in Christus, beugt er sich nieder, um uns die Füße zu waschen. Und ganz bewusst, setzt Jesus dieses Zeichen, vor der Einsetzung der Eucharistie. Seine Jünger sollten verstehen, was Eucharistie bedeutet: In ihr bleibt die Liebestat Christi, seine Hinwendung zu uns Menschen unter uns gegenwärtig. Immer neu beugt er sich in diesem Sakrament zu uns nieder, entäußert sich seiner Herrlichkeit, um uns Anteil an sich selbst zu schenken und uns so durch seine Liebe zu reinigen und zu verwandeln. Deshalb ist die Eucharistie auch zunächst nicht Feier der Gemeinschaft unter den Gläubigen, wie manche „moderne“ Theologen meinen, sondern sie ist zunächst Feier der Gemeinschaft mit Christus, die uns dann zur Gemeinschaft auch untereinander führt.
Die Eucharistie – diese Liebestat Gottes soll aber in unserem Leben nicht folgenlos bleiben. Vielmehr soll unser Leben vom Geheimnis des Glaubens bestimmt und geprägt werden. Es soll ein Spiegel der Liebe Christi sein, indem wir einander die Füße waschen, indem wir einander Liebe erweisen. Oder wie es der heilige Papst Johannes Paul II. einmal ausdrückte: „Den Tod des Herrn verkünden, »bis er kommt«(1 Kor 11, 26), bringt … den Auftrag mit sich, das Leben zu »verwandeln«, damit es in gewisser Weise ganz »eucharistisch« werde.“ (Ecclesia de Eucharistia, 20.)
Eucharistie heißt übersetzt Danksagung. Durch Christi Liebe soll unser ganzes Leben zu einer Danksagung an Gott werden, indem wir tun, was Christus uns aufgetragen hat: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander liebe. Daran soll man erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“(Joh 13,34f.)
In der Fußwaschung hat Christus so zweierlei gezeigt: Zum einen enthüllt er das Geheimnis seines Lebens, seiner Menschwerdung und zum anderen offenbart er uns das Geheimnis der Eucharistie, in der wir Anteil an seiner Liebe – mehr noch – an ihm selbst erhalten. Die Liebe Christi will aber nicht nur Brot und Wein verwandeln, sondern auch uns. So wie es ein alter Kommunionvers sagt, der auf den heiligen Augustinus zurückgehen soll: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi. Werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“
Christus hat uns am Abend vor seinem Leiden ein Beispiel gegeben, damit auch wir so handeln, wie er an uns gehandelt hat. Er, von dem wir mit einem der ältesten Glaubensbekenntnisse bekennen: „Christus Jesus … war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.“(Phil 2, 5-11.). Amen.

P. Jörg Weinbach OT


Mittwoch der Karwoche

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Betrachtung zum Mittwoch der Karwoche
(Lesungstext: Mt 26, 14-25)
„Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere?“, so lautet die Frage des Verräters an die Hohepriester. Eigentlich sollten sie Diener Gottes sein, aber wie in Wirklichkeit verfolgen sie nur ihre eigenen Interessen. Diese Falschheit hatte Jesus in Gleichnissen aufgedeckt. So z.B. in dem von den bösen Winzern, die zunächst die Knechte des Weinbergbesitzers und schließlich seinen Sohn töten, um das Erbe an sich zu bringen.(Vgl. Mt 21, 33-39.) Als er sie am Ende fragt, was der Besitzer des Weinbergs mit diesen Pächtern tun wird, sprechen sie sich selbst das Urteil: „Er wird diese bösen Menschen vernichten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.“(Mt 21,41.) Hierauf zitierte Jesus Psalm 118: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; vom Herrn ist das geschehen und es ist wunderbar in unseren Augen.“(Mt 21,42.) Und er verkündet ihn das Urteil Gottes: „Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die Früchte des Reiches Gottes bringt.“(Mt 21,43.) Und der Evangelist fügt an: „Als die Hohepriester und die Pharisäer seine Gleichnisse hörten, merkten sie, dass er von ihnen sprach. Sie suchten ihn zu ergreifen; aber sie fürchteten die Menge, weil sie ihn für einen Propheten hielt.“(Mt 21, 45f.) Wenig später werden sie dann sogar sein Tod beschließen.(Vgl. Mt 26, 3f.)
So ergreifen Sie Ihre Chance, als Judas seine Auslieferung anbietet. Dreißig Silberlinge geben sie ihm für Jesus. Der genaue Wert dieser Summe ist schwer zu bestimmen. Das Evangelium selbst spricht aber davon, dass die Hohepriester, nachdem Judas das Geld zurückgebracht hatte, von der Summe den Töpferacker als Begräbnisort für die Fremden erwerben – wohl eine frühere Tongrube, die dann nach dem Blutgeld Blutacker genannt wurde. Im Tempel jedenfalls wollten sie das Geld nicht haben. Es sei unrein, da Blut daran klebe, weshalb man es nicht in den Tempelschatz tun dürfe. Welche Scheinheiligkeit und Heuchelei aus dem Munde derer, die das Blutgeld bezahlt hatten. Wie verblendet mussten sie sein, dass sie Judas, auf seine Feststellung, er habe gesündigt, da er ihnen unschuldiges Blut ausgeliefert habe, antworteten „Was geht das uns an?“(Mt 27,4.)  als hätten sie mit der Sache nichts zu tun. Nicht das Geld hätte Tempel verunreinigte, sondern sie selbst taten es, an deren Händen ebenfalls das Blut Jesu klebte.
Die Hohepriester hatten die Worte des Psalm 118 erfüllt und Christus verworfen. Einer aus seinem engsten Umfeld aber, einer seiner zwölf Apostel hatte ihn an sie verraten. Die Freundschaft Christi war ihm den Preis einer alten Tongrube wert. Für diesen Preis verkaufte er ihn. So erfüllte sich, was in Psalm 55 steht: „Nicht ein Feind beschimpft mich, das könnte ich ertragen; nicht einer, der mich hasst, tritt groß gegen mich auf, vor ihm könnte ich mich verbergen. Nein, du bist es, ein Mensch mir gleich, mein Freund und mein Vertrauter. Wir haben unsere Vertrautheit genossen, wir gingen im Haus Gottes umher in wogender Menge.“ (Ps 55, 13-15.) Genau so war es geschehen: Jesus war gerade unter dem Jubel der Menge, die ihn mit Hosianna-Rufen begleitete, in Jerusalem eingeritten und Judas, der mit ihm eingezogen war, verrät ihn.
Jesus aber verstößt Judas nicht. Er weiß um den kommenden Verrat und auch um den Verräter. Und doch trennt er sich nicht von ihm, sondern macht nur die Konsequenz seines Handels deutlich: „Weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.“
Jesus aber geht er seinen Weg, den Weg der Erlösung, der Selbsthingabe zum Heil der Menschen. Er ist wie Joseph, der von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft wurde. Gott aber nutzte diesen Verrat, um ihn seiner Familie vorauszusenden und diese so aus der Hungersnot zu erretten.(Vgl. Genesis, 45,5.) Jesus aber geht den Weg ins Reich des Todes voraus, um uns die Tür zum Leben aufzustoßen. Er geht diesen Weg durch Kreuz und Leid, weil wir es ihm wert sind. So anders sind die Wertmaßstab Gottes. Um den Knecht zu erlösen, gibt er den Sohn dahin.(Vgl. das große Osterlob der Kirche, das Exsultet.) Gott liebt uns Menschen mit unendlicher Liebe. Und so gibt er für uns das Wertvollste, was er hat, seinen Sohn. Soviel sind wir ihm wert.
Wer dies erkennt, der kann zum Opfertod Jesu nicht einfach sagen: „Was geht das mich an?“ Sondern muss bekennen, dass auch er schuld ist, am Tode Christi. Denn „er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der HERR ließ auf ihn treffen die Schuld von uns allen.“(Jesaja 53, 4-6.)
Christus geht diesen Weg aber nicht für eine namenlose Masse, sondern für jeden einzelnen von uns. Wie wunderbar ist dieses Wissen: Gott liebt mich so sehr, dass er seinen eingeborenen Sohn für mich dahingab. Für mich ganz persönlich, um mich zu erlösen aus Sünde und Tod. Und ich darf sicher sein, selbst wenn ich der einzige Mensch auf Erden wäre, er hätte mich durch Christus gerettet. Denn Gott liebt uns unendlich. Und in seiner grenzenlosen Liebe will er, dass keiner verloren geht.
Es bleibt aber die Frage, wie ich mich dazu verhalte, oder anders: Was ist mir seine Freundschaft wert?

P. Jörg Weinbach OT


Dienstag der Karwoche

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Betrachtung zum Dienstag der Karwoche
(Lesungstext: Joh 13, 21-33.36-38)
Jesus weiß, welchen Weg er geht; er weiß, dass Kreuz und Leiden auf ihn warten. Er kennt auch den Verräter, aber er hält Judas nicht auf. Mit einem Kuss, einer Liebesgeste wird Judas ihn verraten – ihn, der dessen Absicht mit einer Geste der Liebe, mit dem Reichen eines Bissen Brotes enthüllt.
Und indem Judas das Brot von ihm nimmt, fällt die letzte Entscheidung und der Satan fährt in ihn. Er ergreift von seinem Herzen Besitz. So geht Judas hinaus, weg von den anderen und vor allem, weg von Jesus. Und der Evangelist ergänzt: „Es war aber Nacht.“
Judas verlässt das Licht und geht ins Dunkel, denn er hatte das Licht nicht erkannt, so wie es schon der Prolog des Johannesevangeliums sagt: „Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.“  (Joh, 1,5.10.)
Jesus weiß, wer ihn verrät, und er weiß, wer ihn verleugnen wird. Alle werden sie weglaufen und Simon Petrus, der sein Leben für ihn hingeben wollte, wird ihn feige verleugnen – gleich dreimal noch in dieser Nacht. Nur der Jünger, den er liebte, blieb mit der Mutter und einigen von den Frauen treu und stand mit ihnen unter dem Kreuz.
Später aber wird Petrus umkehren. Und diese Umkehr beginnt damit, dass der Blick Christi ihn trifft. Und er trifft ihn ins Herz, so dass er bitterlich weint. (Vgl. Mt 26,75.) Am Ufer des Sees wird Petrus dann die dreifache Verleugnung durch dreimaliges Bezeugen seiner Liebe wiedergutmachen und von Jesus neu in seiner Aufgabe als Hirte der Kirche eingesetzt. Der Herr hatte es schon früher angekündigt: „Wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder.“ (Lk 22,32.)
Warum aber scheitert der Fels der Kirche? Warum knickt er ein wie ein Schilfrohr? Weil das, was er sich vorgenommen hatte, seine Kräfte zu diesem Zeitpunkt überstieg. Für Christus wollte er sein Leben hingeben, für den, der das Leben selber ist und der gekommen war, „sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Vgl. Mt 20,28.) Erst diese Selbsthingabe Christ, die Liebeskraft seines Kreuzesopfers befähigt Petrus dazu, sein Leben für Christus hinzugeben. „Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach! Nur aus Christi Kraft, kann man für Christus leben.
Wieso aber konnte Judas nicht umkehren? Der Weg zurück wäre doch grundsätzlich offen gewesen! Weil er nicht an die Vergebung glauben konnte. Da seine Liebe zu Christus erloschen war, glaubte er, die Liebe Christi zu ihm sei ebenfalls erloschen. Und so fühlt er zwar die Schuld, aber die Schuld führt ihn nicht zurück zum Herrn, sondern treibt ihn in den Selbstmord.
Anders bei Petrus: Er liebt Christus und vertraut auf dessen Liebe. In dem Moment als der Blick Jesu Petrus im Hof des Hohenpriesters beim Hahnenschrei traf, war dies kein Blick des Zorns, sondern der Milde, Güte und Vergebung. Aber gerade die Liebe dieses Blickes macht Petrus sein eigenes Versagen, seinen lieblosen Verrat in seiner ganzen Tragweite bewusst. Und vermutlich erinnerte er sich in diesem Augenblick an die vielen Erlebnisse mit seinem Meister: an den reichen Fischfang, nachdem Petrus zu Jesus sagte, „geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder“, und dieser ihn zum Menschenfischer berief; an die Verklärung auf dem Berg und alle Momente, die Petrus gerne festgehalten hätte; die Brotvermehrung, die den Hunger so vieler stillte; an die Heilungen, die Jesus wirkte, und an die Vergebung, die er den Sündern zugesprochen und ihnen so einen neuen Anfang ermöglicht hatte. Und er dachte vermutlich auch an den gerade zurückliegenden Abend mit der Fußwaschung, dem Mahl und der Ankündigung, dass er Jesus verleugnen werde. So empfindet er Schuld und Reue. Seine Liebe zu Christus lässt ihn weinen.
Die Liebe Christi aber schenkt ihm den Mut zur Umkehr. Denn er wusste, dass in Christus der liebende Vater ist, der auf den verlorenen Sohn wartet. Nur dieses Wissen – sein Vertrauen in die Liebe Christi machen die Umkehr möglich. Er wusste: „Christus kann, ja, er will mir vergeben, wenn ich ihn darum bitte.“
Judas aber konnte hieran nicht glauben. So wird sein Schuldbewusstsein, nicht zur Reue, sondern zur Verzweiflung und er nimmt sich das Leben. Es fehlte nicht an der vergebenen Liebe Gottes, sondern am Glauben an sie. Dieser Glaube aber ist die Voraussetzung, um das Geschenk der Vergebung zu empfangen und so jene Erfahrung zu machen, die Simon erst wirklich zum Fels, zu Petrus werden ließ: Das Wissen, dass es die Liebe Christi ist, die die Welt, ja sogar den Tod besiegt. Die Liebe dessen, der sein Leben hingegeben hat als Lösegeld für viele.

P. Jörg Weinbach OT


Montag der Karwoche

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Betrachtung zum Montag der Karwoche
(Lesungstext: Joh 12, 1-11)
Maria salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Ein Pfund echtes kostbares Nardenöl verwendet sie hierzu. Welch ein Überschwang an Liebe.
Auf dreihundert Denare schätzt Judas den Wert. Das entsprach dem Jahres­lohn eines Arbeiters. Aber es ist mehr als nur eine großartige materielle Gabe. Es handelt sich um ein liebendes Bekenntnis der Würde Jesu. Nardenöl wurde von Königen verwand (vgl. Hld 1,12). Mit ihrem Tun bekennt Maria also, dass Jesus ihr König ist, und wie vor der Auferweckung ihres Bruders Lazarus sehen wir sie zu Füßen des Herrn. „Herr, wärest du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“, (Joh 11,32) hatte sie damals gesagt. Diese Worte waren kein Vorwurf, sondern eine in Tränen gehüllte Bitte, die im tiefen Wissen um seine göttliche Vollmacht wurzelte – auch wenn Maria dies, anders als ihre Schwester Marta, nicht in Worte fassen konnte. Ihre Geste zeigt, dass sie weiß, wer der ist, dem sie ihre Liebe erweist. Das Knien zu seinen Füßen ist ihre Weise zu bekennen, „du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“.
Judas aber kann dies nicht verstehen. Er hatte sich schon innerlich von Jesus verabschiedet und griff in die Kasse. „Man muss ja auch an morgen denken“ Wann genau die Abkehr geschah, können wir nicht sagen. Vielleicht nach seiner großen Rede vom Himmelsbrot. Als er das Geheimnis der Eucharistie offenbarte, mit den Worten: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ (Joh 6, 53-55.) In der Folge verließen ihn viele Jünger, weil sie seine Worte für unerträglich hielten. Nur die Zwölf blieben bei ihm und unter ihnen Judas. (Vgl. Joh 6,60-71.) Vielleicht dachte er, er könne doch wieder zum Glauben kommen, oder er war einfach nur neugierig, wie die Sache ausging.[1]
Judas konnte die Liebe Marias, konnte ihr Bekenntnis nicht begreifen und so lehnt er ihr Tun als Verschwendung ab. „Man hätte das Öl verkaufen und den Erlös den Armen geben sollen“, dies ist der bis heute beliebte Einwand gegen äußere Zeichen der Gottesverehrung durch kostbare Paramente, wertvolle Altargeräte und wohlriechenden Weihrauch. „Man hätte das Geld den Armen geben sollen“, so hört man oft von Leuten, die selbst nicht wohltätig sind, sondern die Welt stets auf Kosten anderer verbessern wollen. Und die vor allem den nicht erkennen, der seine Liebe bis zur Vollendung erwiesen hat. So wie er es tat, als er sich am Abend vor seinem Leiden niederbeugte, um seinen Jüngern die Füße zu waschen. (Vgl. Joh 13,1.)
Maria kniete, um ihm, dem Messias, dem Sohn Gottes ihre Liebe zu zeigen. Er kniete sich hin, um den Seinen Anteil an sich selbst zu geben und sie ganz rein zu machen, um in seiner Liebe ewiges Leben zu schenken. (Vgl. Joh 13,1-20.) Und Judas war dabei.
Als Judas aber hinausgegangen war, gibt er ihnen sein neues Gebot: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13, 34-35.) Judas hätte es in seiner Taubheit und Blindheit für die Liebe Christi vermutlich sowieso nicht verstanden. Denn diese Liebe zum Nächsten wendet sich den Armen zu, ohne hierin einen Widerspruch zur verschwenderisch Liebe zu Christus zu sehen. Vielmehr bezieht sie ihre Kraft gerade aus der Liebe zu ihm, wie wir es im Leben so vieler Heiliger erkennen können.
Maria war von dieser Liebe beseelt. Sie erweist ihren Glauben und ihre Liebe in der verschwenderischen Hingabe des Öles und ihrer selbst. Und so hat sie Teil an seinem Liebeswerk, da sie es für den Tag seines Begräbnisses tat.

P. Jörg Weinbach OT

[1] Zu den Überlegungen zum Glaubensverlust des Judas vgl. Romano Guardini, Der Herr.


Palmsonntag

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Betrachtung zum Palmsonntag
Der Palmsonntag, mit dem wir in die heilige Woche eintreten, die dem Gedächtnis, des Leidens und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus geweiht ist, ist ein sehr eigentümlicher Tag. Er steht im Spannungsfeld zwischen „Hosanna dem Sohn Davids!“ und „Ans Kreuz mit ihm!“. Aber gerade damit steht dieser Tag exemplarisch für unser Leben.
Auch wir haben bestimmt Christus schon überschwänglich empfangen. An besonderen Tagen. Etwa am Tag der Profess oder der Investitur. „Hosanna! Sei hochgelobt! Komm in mein Leben, ich will mit Dir gehen, Dir folgen, König der Welt.“
Aber dann gibt es auch die anderen Momente. Die Momente des Verrats, der Verleugnung, der Abkehr von Christus. Denn nichts anderes ist ja die Sünde, die sich immer wieder in unser Leben frisst. Sie ist Abkehr von Gott, Trennung von Christus und schlägt ihn ans Kreuz. Wenn wir uns beim Schuldbekenntnis an die Brust schlagen, dann sollen wir wissen, dass wir zuvor, den Hammer geführt und die Nägel durch die Hände Jesu getrieben haben. „Er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,5.)
Wenn wir die heilige Messe feiern, dann stimmen wir nach der Präfation und vor dem eucharistischen Hochgebet ein in den Lobgesang der Engel, das Sanctus, und auch in den Jubelruf des Palmsonntags. „Hochgelobt, sei der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.“ (Mt 21,9.) Wir bereiten Christus so den Weg in unser Leben, um an seiner Selbstaufopferung zu unserem Heil Anteil zu erhalten, den er uns in der heiligen Eucharistie schenkt, die viele von uns in diesem Tagen so schmerzlich vermissen. Aber gerade dieses Vermissen kann für uns auch ein Zeichen der Zuversicht sein. Zeigt es doch, wie wichtig uns der Kommunionempfang ist und welchen Wert sie für unser Leben besitzt. Und es kann uns auch mit Christus vereinen, der unter der Trennung von uns leidet, die die Sünde immer wieder bewirkt.
Es ist jener Schmerz der Trennung, den auch die Gottesmutter empfunden hat, als sie unter dem Kreuz stand und ihren Sohn sterben sah.
„Drücke deines Sohnes Wunden,
so wie du sie selbst empfunden,
heilge Mutter, in mein Herz!
Dass ich weiß, was ich verschuldet,
was dein Sohn für mich erduldet,
gib mir Teil an seinem Schmerz!“
(GL 532,4.),

so beten wir im Stabat Mater.
Bitten wir, dass die Trennung, die wir in diesen Tagen spüren, unser Liebe zu Christus stärke und uns tiefer mit ihm verbinde, damit wir durch Christi Hilfe mit Maria Sieg und Preis erben. (Vgl. GL 532,5.) Dann hätte der Shut-Down einen positiven Effekt nicht nur für unsere leibliche Gesundheit, sondern auch für unser geistliches Leben,
Christus, unser Herr und König, ist uns nicht fern. Er bleibt bei uns, alle Tage unseres Lebens und geht mit uns, auch wenn wir ihn nicht sehen, wenn wir scheinbar von ihm getrennt sind.

P. Jörg Weinbach OT

 

 

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